Vom Raffelmandl

In der Gegend von Palfau gibt es viele sagenhafte Erinnerungen an ein gespenstisches Männchen, das bald klein ist, bald wieder eine riesenhafte Gestalt annimmt. Es erscheint meist armen Menschen, beschenkt sie mit wertlosen Dingen, die sich aber dann in lauter Silber verwandeln. Manchmal bringt es den Leuten auch Unheil, sogar den Tod. Es ist dies die Erscheinung des RAffelmandels.

1.

Einmal ging vom Gamsstein gegen die Raffelmauer ein furchtbares Gewitter mit heftigen Regengüssen nieder. Das kleine Raffelbächlein schwoll im Nu zu einem verheerenden Wildbach an und riß die Bachbrücke nieder. Da diese aber für den Verkehr sehr notwendig war, mußte sie schnell wiederhergestellt werden. Unter den Brückenarbeitern war auch der Köhler von der Raffelkohlstatt beschäftigt, ein äußerst fleißiger Mann. Während die Arbeiter zur gewohnten Stunde Feierabend machten, grub der Köhler am Abend noch immer weiter. Bei ihm hatte es auch keine Eile, er wohnte in der Nähe. Während er so allein mit seiner Schaufel das große Loch für die Aufstellung des Brückenkopfes ausgrub, bemerkte er einmal am Bachufer einige Braschen (das sind kleine Kohlenabfälle). Das kam ihm ganz sonderbar vor, denn an dieser Stelle hatte es ja niemals einen Kohlenmeiler gegeben. Er steckte sich daher einige davon in seinen Rucksack. Doch kaum hatte er darnach gelangt, lag ein großer, alter Schlüssel vor ihm. Auch diesen steckte er ein. Unterdessen war es dunkel geworden und so ging er eiligst nach Hause. Daheim wurde er diesmal wegen seines längeren Ausbleibens von Weib und Kindern sehnsüchtig erwartet.

Er kam ganz aufgeregt in die Stube, erzählte hastig von seinen merkwürdigen Funden und machte dabei den Rucksack auf. Doch siehe, statt Braschen legte er lauter klingende Silbermünzen auf den Tisch. Vor lauter Freude darüber eilte er nochmals an die Fundstelle zurück, fand dort auch alles wie zuvor. Als er jedoch nach neuen Braschen greifen wollte, trat ihm ein kleinwinziges Männchen entgegen und hinderte ihn daran. Der Köhler wehrte sich mit seiner ganzen Kraft. Da wurde das Männchen immer größer und stand auf einmal als Riesengestalt vor ihm, die gebieterisch von ihm den alten Schlüssel zurückverlangte. Der Köhler hatte ihn aber in seiner Aufregung daheim gelassen und so kam er um den Schatz.

Als die Arbeiter am nächsten Tag zur Raffelbrücke kamen, fanden sie den Köhler tot in der Grube liegen.

2.

In der Nacht vor Martini (11. November) fuhr der Flossenfuhrmann des Hollensteiner Gewerken Martin Weingart mit Erzen über die Palfau heimwärts, um am nächsten Tag das Martinifest und gleichzeitig den Namenstag mit seinem Herrn zu feiern.

Als er zur Raffelbrücke kam, sah er ein kleines Männchen lustig am Brückengeländer herumhüpfen, das ihn mit seinem Fuhrwerk nicht über die Brücke fahren ließ. Wie gebannt standen Fuhrmann und Pferde da.

Auf einmal rief das Männchen: „Merk auf, Fuhrmann, und schrei auf der Zwieselbrücke in den Wald: ‚Das Spitzhütl (das bin ich) läßt das Grünhütl schön grüßen und ihm sagen, der Weingart-Martin ist gestorben.‘ Du aber wirst unter der Brücke deinen Lohn dafür finden! Der Fuhrknecht konnte sich lange nicht über diesen Vorfall fassen. Ganz in Gedanken versunken kam er zur genannten Brücke, machte halt und befolgte den Auftrag des kleinen Männchens. Doch von dem versprochenen Lohn sah er nichts als alte Hufnägel. Davon steckte er sich eine Handvoll ein und fuhr weiter. Als er heimkam, war das ganze Haus in tiefer Trauer. In der vergangenen Nacht war wirklich sein Herr plötzlich gestorben. Nachdenklich ging der Knecht in seinen Kammer, nahm die Nägel aus seiner Tasche, doch was mußte er merken – sie waren zu Silber geworden. Nun reute es ihn, nicht alle Nägel eingesteckt zu haben.

Quelle: Admont und das Gesäuse in der Sage; DDr. P. Adalbert Krause O.S.B. Professor in Admont; Oberösterreichischer Landesverlag Ges.m.b.H., Linz; ohne Jahresangabe

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